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Es wäre eine Studie wert zu untersuchen, wie Oskar Werner seine Worte begleitet durch Augenbewegungen, Gesten und Pausen oder Lächeln im "Homburg". Und wie er daraus seine Worte entstehen läßt. Als Antwort oder Frage: Wie "für sich", in Großaufnahme der Aura abgebrochener Intentionen, die sein Erscheinen begleitet, selbst noch im Tode. Das ist wie die Entstehung der Gedanken beim Reden durchaus nicht selbstverständlich, nicht lächerlich oder epileptisch oder von anthroposophischer Art.

Der "Homburg" ein Traum Kleists ? Das wäre der falsche Kurzschluß aus der Schlußfrage:"Ist es ein Traum?" und deren Bejahung. Kleist entnahm das Motiv den Gedanken zur Geschichte von Friedrich II., man hätte den Siegeshelfer von Fehrbellin auch eigentlich vor ein Kriegsgericht wegen Subordinationsvergehens stellen können. Kleist dekliniert nun den Fall durch, indem er den Prinzen in nachtwandlerischer Trance, wie im Traum einer Krönung durch den Lorbeerkranz aus der Hand der geliebten Frau, zunächst an der Realität scheitern, sich ihn dann aber in ihr finden läßt, der den Tod in Furcht und Überwindung anzuerkennen bereit ist , indem er alle preussischen Tugenden durchspielt und am Ende in der Realität, gekrönt, geliebt und aufgehoben im Kreis der kurfürstlichen Familie dem Zuschauer vor Augen geführt wird. Insubordination ohne Ruhmsucht oder Unaufmerksamkeit der einfältigen Art, aber aus feuriger Leidenschaft des Liebestraums - so ist's bei Kleist. Für Oskar Werner wird es eine Annahme des Todes ohne Rückkehr mit endzeitlicher Schwere.

 

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Daß er am Ende gescheitert sei, das mag Oskar Werner am Abgrund seiner düstersten Stunden gefürchtet haben, wie alle um ihn es so laut und erbarmungslos, empört über seinen Weg und Verlust und seine Abtrünnigkeit, ihm täglich sagten, und wie ein fürchterliches Urteil vor sich selbst insgeheim, ungefragt vor den anderen zu stehen in ihrem Jubel der Zeit, die er nicht achten konnte. Nun heute, nach Vergleichen seines Testaments, des Weltabschiedswerks im "Prinzen vom Homburg" mit jener damals vielgerühmten Modell-Inszenierung ("die geniale Umdeutung des preussischen Nationaldramas", so noch am 14.Januar 1995 in der SZ/S.L. aus Wien) vom Anfang der siebziger Jahre in Berlin aus dem Geiste der 68er Bewegung, ist dieser Außeneiter allem und allen in seiner Kunst so vielfach überlegen, noch und gerade in der erbärmlichsten Armut von Technik und Umständen, auch in persönlichster Behinderung, ja gerade darum und deshalb interessant, weil auch er und dies ein Modell ist über diese Kunst und das bloße Theater hinaus für vieles in dieser Zeit und in unserem Leben.
Es ist interessant, weil auch hier das ganz andere Theater aus dem System kam von Ensemble und alten Texten, aus dem verlorenen Fundus  von Geschichte, Gefühlen und Menschlichkeit überhaupt, das also nicht durch grundsätzliche Infragestellung mit einer anderen Ästhetik um Aufmerksamkeit bat.

 

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Oskar Werner kann man verstehen als Unerlösten, unerlöst wie sein geheimer Held Kleist durch das Versagen des Kranzes aus Frauenhand und dadurch die mangelnde Anerkennung seines Landes, das der Dichter noch das der Väter nennen konnte mit Stolz, aber diesmal ohne Hilfe des Traums, dieser  Erfindung der Kunst als Rettung in der Tat des Werkes.

Also doch alles  nur ein Traum, dies Preussen, die Welt, um das Leben aus der Feder des Dichters zur dramatisch-poetischen Existenz zu erwecken ?  So war der Homburg 1972 angekündigt als "Kleist's Traum vom Prinzen vom Homburg" (Schaubühne).

Das ist so kurz gegriffen wie die These, die Kunst der Männer verlange nach dem Opfer der Frauen im Tode oder die Söhne begehrten die Mutter und daß alles Unheil der Seele daher komme, womit der ganze bohrende "Ödipus", im unentrinnbaren Fragen an sein Schicksal falsch geführt, nie erführe, worauf eigentlich das Unheil sich gründe und wo es zu suchen sei; Seines und das ganzer Völker und der Menschen in ihrem jeweiligen Kreis: in ihm selbst.
So verstanden, mag wie Traum erscheinen, Liebe, Tod, Kämpfen, Siegen und Fehlen, Urteilen und Überwinden, als unbewußtes Begehren oder eigntliche Welt.

 

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Was damals, vor zwanzig Jahren, uns als allgemein begrüßtes künstlerisches System gegenübertrat oder entsprach, war ein geschlossener Organismus von Öffentlichkeit, totalitärer Produktionsmechanik, von Technik, Design, Zitat-Ästhetik, Aufklärungstüchtigkeit, und Auftrag der Subventionsgeber mit Ablassfunktion und Alibicharakter der politisierten Kunst, im Rahmen jener Meta-Ebene von psychoanalytischen Beziehungsgeflechten einer von allen Seiten mitbestimmten und mitgewollten, vergesellschafteten

Oskar Werner ins Nichts

Ensemblenachfolge als Ernte der Erziehung nach 45, wie auch immer verinnerlicht als Gewissenszwang oder intellektuell missverstanden, wenn man ausländische Stimmen zu den gleichen Ergebnissen aus Deutschland dagegenhält.
Dagegen hatte die poetische Begeisterungstiefe eines Oskar Werner in Deutschland keine Chance. Das war keine andere Ästhetik, keine Schule und stellte nichts als Größe einer Darstellungskraft aus einer Haltung dar, die man früher Aura nannte oder Ausstrahlungsfähigkeit, aus der alles ist, was verloren ging und wonach alle suchten, ob früher in Hollywood oder zuvor Max Reinhardt;  auch was wir heute an Brecht und Kortner bewundern, mit denen wir aufwuchsen, und ohne das nichts geschieht, wenn Kleist aufgeführt werden soll.
Was im Film, aus dieser Zeit geboren, eine eigene Kunst wurde, ist auf der Bühne zerstörerisch, weil sie von anderen Ritualen lebt und das Exerzitium braucht, wenn nicht als letzter Versuch das Ich zum Kosmos wird, - als aller Verluste Echo und Abschiedsklage.
Wenn man dies alte Ritual und die Exerzitien des Theaters begrüßt, dann sind eigentlich seine wesentlichen Elemente von Maskenwesen und Mimenspiel nicht verzichtbar, und es ist nicht erlaubt, sie zu ersetzen, zu übertragen oder anders zu erfüllen, so daß es kein Zurück mehr gibt und kaum eine Zugänglichkeit für die, die nach alten, wie auch immer vertanen oder verlorenen Schulen des Theaters wehmütig oder zerstörend urteilen, es sei denn, der Sprung würde gewagt in eine ganz andere Existenz der Kunst, wie sie allein fähig wäre, heutiger Not zu entsprechen oder Antwort zu sein.

Die neue Erkenntnis aus dem "Prinzen vom Homburg" in der Oskar Wernerschen Aufführung ist, daß es hier nicht um die Problematik der preussischen Disziplin vordringlich geht und nicht um die so gerne diskutierte Angst vor dem Grab eines preussischen Offiziers, dem Land und Liebe gleichgültig sind, sehr zum Beifall heutiger Interpreten, wie damals zum Abscheu seiner Zeit. auch geht es nicht um den Traum von Liebe oder dem von einem anderen Preussen, sondern um die Überwindung des Todes durch Erdulden, so daß die dann mögliche Begnadigung, wenn all die oben genannten Prüfungen bestanden sind, mit der Bekränzung durch die geliebte Frau für seinen Dienst am Land wie ein Traum erscheinen muß. Das wird hier zur Frage von Leben und Tod, Wirklichkeit und Wahn dieses Darstellers selbst, der vor dieser Frage stehend, nun Leben  und Kunst miteinander vereint als höchste Traumerfüllung aller darstellenden Kunst in ärmster und reinster Form.

Aber diese schwerste Prüfung durch Strafe und Anerkennung der Schuld als Ursache aller Erkenntnis trifft gerade da, wo der Held der Schlachten einen Sieg als falschen zugeben muß, in einer Niederlage, die ihn  bis zur Verleugnung der Liebe selbst und seines Vaterlandes führt, um sich zu retten aus dieser Not. Heute wäre das Verzicht auf alle Öffentlichkeit und Isolation des Herzens, was alles er auf sich zu nehmen bereit ist, und wenn er sein Schicksal annimmt, dann als Urteil und Last.

 

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Man vergleiche Oskar Werners "Prinz von Homburg" mit dem der Schaubühne Satz für Satz, Wort um Wort, die Bewegungen, Haltungen und die Inszenierung der Gesichter:

Man vergleiche: " O Gottes Welt, o Mutter, ist so schön" oder "Seit ich mein Grab sah, will ich nichts als leben und frage nicht mehr, ob es rühmlich sei", oder ".....und in dem Kreis herum  das Leben jagen, bis es am Abend niedersinkt und stirbt." Oder: "Du armes Mädchen, weinst...." oder "Schuld liegt bedeutende mir auf der Brust", oder:"Hättest du zwei Flügel, Jungfrau, an den Schultern..." oder "Das Leben nennt der Derwisch eine Reise - zwar eine Sonne, sagt man, scheint dort auch, ich glaub's, nur schade, daß das Auge modert, das diese Herrlichkeit erblicken soll", oder " Ich will den Tod, der mir erkannt, erdulden... Ich will das heilige Gesetz des Krieges, das ich verletzt im Angesicht des Heers, durch einen freien Tod verherrlichen!" oder : "Nun, o Unsterblichkeit, bist Du ganz mein...."
Man höre und man sehe einmal genau und alles. Das ist keine Variante, kein Zufall, kein "das eine so" und "das andere so", kein Richtig und Falsch.

Und man fragt sich: waren wir alle blind und taub, vergesslich, verrannt und von der Ungerechtigkeit der Gegenwart geschlagen, doch durch öffentliches Urteil der Zeit befangen, daß niemand einschritt oder auch nur verglich ?

 

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Theater nach Oskar Werner. Ohne ihn.
Aber das Ende des "Homburg" konnte er in seiner Möglichkeit nicht liefern: "Ein Traum, was sonst ?" diesen Rätselsatz des Ganzen und darüber hinaus hatte er abgeben müssen an einen Darsteller, der den Kottwitz spielte. Und die Worte danach:"Ins Feld! Ins Feld ! Zur Schlacht! Zum Sieg! Zum Sieg !" hatte er gestrichen, das "In Staub m it allen Feinden Brandenburgs" partiturgemäss allen überlassen müssen. So war es am Ende doch noch ein unerlöster Abgang. Aber, was ist die Lehre eines solchen Helden des Theaters der Poesie. Ohne Einsatz der Existenz geht es nicht, bleibt alles bloßes Theater.

Hier ging es um den Tod unter Einsatz des Lebens.Wie an anderer Stelle um die Liebe. Auch um Vaterlandsverlust, tief tragisch in der Entwertung erlitten, das ist Existenzeinsatz, wie der der Naturverluste, die Hybris tragisch erfahren, wo alle Strafe nur von den Göttern anerkannt wird, zu keinem Geschäft der Menschen tauglich. Wer da durchgeht, das trägt, und der Menschen auch böses Irren ganz erfasst, austrägt, bei dem ist Existenz, die zum Handwerk erst macht, was Kunst wird, wo das Theater beginnen darf, ohne abgeschmackt zu wirken. Das lehrt Oskar Werner, unerbittlich, ohne Zurücknahme, unvergleichlich darum und nicht zu ersetzen. Dann und darum. Unbeugsam. Ein Mann. Dieses Gewerbes.

Das Programmheft der Schaubühne, wie immer belesen und erlesen, quer gestaltet, mit Liebe gemacht und auf neuestem Stand der Zeit, auch im Geiste Botho Straußscher Bearbeitung des Kleist (!), läßt seltsamerweise die Quelle aus, die nach Tieck Kleist zu seinem Stoff führte, nämlich Friedrich des Zweiten Geschichte Preussens, und die Frage, ob der Sieger von Fehrbellin nicht eher vor ein Kriegsgericht gehört hätte, was Kleist nun aufnimmt und auf seine Weise vorführt.

 

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Es ist nun so, daß wir die alten Werte der Kunst auch schwinden sehen. Die neuen sind noch nicht erkennbar. Die Frage wird immer sein, was die neuen Techniken und Fähigkeiten gebracht haben oder bringen. Nur das wird gelten für unseren Ewigkeitsanspruch. Die Isolation des Individuums nimmt zu bis zum pathologischen Schmerz bei gleichzeitiger Weltvernetzung aller Informationen und Individuen. Was daraus entsteht, wird dort gesucht werden müssen, wo die neuen Techniken neue Sensibilitäten erwecken, unseren Erforschungen in Technik und Wissenschaften entsprechend, im Denken, in Fotografie und Film vielleicht.
Noch ungeahnte Möglichkeiten sind offen und es wird sich der Vermarktung zu entziehen wissen, wie die Dinge,  die den Königen in den Gräbern gleich beigelegt wurden und nur sich den geladenen Gästen in stillen Stunden auftaten. Aber die vierhundertjährigen Bäume, die man heute leichtfertig aus Sicherheitsgründen aus den Parks entfernt, damit nicht eventuell ein Mensch in fünfzig Jahren, statt an Herzinfarkt oder auf der Autobahn , durch einen Ast bei Gewitter gerade dort zu Schaden kommt, diese Bäume wachsen nie mehr nach. Sie haben noch Kleists Zeiten erlebt und sind heute nach 18O Jahren sterbensmatt. Tausend junge Bäume sind nötig, um einen solchen dieses Alters nur an Nutzen für die Luft zu ersetzen. Dem Auge unersetzlich, fehlt der Halt und Trost vor verschmutztem Himmel. Was noch stehen bleibt, ist beißenden Sonneneinwirkungen von heute schmerzend ausgesetzt und der Winde nächste Beute. Wer so zugrunde geht und nicht einmal fällt, weiß, daß nichts mehr nachwächst, das ihm gleicht.

Nie war ein Darsteller als Mann dem Dichter Kleist so nahe wie dieser. Und das ist ein letztes Kriterium und einzige Instanz seiner eigenen Größe.

Eben dies geschieht durch die Tat des Dichters, des Schriftstellers, der verdichtet. Denn warum hat dieser Prinz versagt ? Nicht bramarbasierender Haudegen, der die Schlacht gegen die  Order gewonnen, und nicht als ein Dummkopf oder Tölpel, sondern als Träumer der Liebe, der so sein Land erhöht und sich durch den Kranz dieses Landes aus der Frauenhand belohnt weiß, was sonst ?
In diesem Sinne ist Oskar Werner ein Dichter, wo andere alle Schriftsteller bleiben. Und was kein Mann mehr heute zu wagen bereit ist oder fähig, ist - wie durch ein Wunder - hier getan und weiter geführt.

 

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Und wieder, wenn wir über das Theater, nun jenseits der Unterhaltung, die Kino und Fernsehen besser übernahmen,  und von Belehrungsfunktion befreit, nachdenken, werden wir an diese größte Intimität der Kunst stoßen, aber, einmal dort angekommen, nicht mehr zurück können,  ohne uns und diese erkannte Wahrheit zu verraten, jenseits des Spiels und der Schau und allen Bordell-Charakter von Mimen- und Maskenkrisen hinter uns lassend, auf der Höhe der eigenen Identität, deren Figuren es nun darzustellen gilt. Alle wissen davon, einige aus Zweifeln, auch an sich selbst, manche kommen nie dahin. Aber für den, der das einmal erkannt hat, dürfte keine Verzweiflung groß genug sein, um noch ein Entweder - Oder zu erlauben zwischen Routine und Farce kläglichen Scheiterns an sich selbst oder dem Weg, der immer weiter führt, und sei es im großen Verstummen, bis neue Äußerung wieder möglich wird.

 

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Zehn Stunden habe Werner Krauß, so erzählte er, damals Max Reinhardt vorgesprochen, am Ende das Vaterunser mit dem Rücken zum Zuschauerraum, so, daß nur jedes achte Wort zu hören war.Das Undarstellbare darstellbar machen: Dem Meister selbst. Es den Lesestunden entreissen und dem Theater hinzugewinnen, daß es Theater

Oskar Werner kein Spiegel

werde oder Film. Nur so hat es eine Legitimation über den alltäglichen Nutzen hinaus.

Von hinten habe man diesen Werner Krauß gesehen, um damit ihn und seine Kunst ohne Magie des Gesichts und seiner Masken zu charakterisieren, und man stellt ihn sich bewegungslos vor. Die Totalität der Abwendung mit höchstem Anspruch. Das Vaterunser war es gewesen, als höchstes Gebot: das Gebet. Auf der Bühne. Oskar Werner hat von diesem Meister der Legenden seinen Namen geborgt, von dem diese Geschichte stammt, ist es nicht gelungen, die Magie seiner Worte aus den Lesungen in den Raum zu führen, und es ist ihm nicht gelungen, sich von den anderen Figuren der von ihm gespielten Partituren auf dem Theater zu befreien, daß in ihm allein das ganze Werk sich zeige. Und war doch schon so nahe dem Ziel.

Nach dem unvergleichlich grandiosen Homburg-Monolog Oskar Werners mit Hilfe einiger Kollegen ohne Eitelkeit, und entstanden aus eigener Kraft, erklärten die Verantwortlichen der regierenden Institute ihm, daß an einen damals noch geplanten "Cäsar" mit ihm nur zu denken sei, wenn er sich unter andere Regie begäbe und in den Rahmen von deren Absichten füge. Daran scheiterte dann auch der geplante "Faust" wohl, den er schon bereit war monologisch in mehreren Rollen zu realisieren. Man stelle sich vor: Faust und Mephisto zugleich. Aber auch die Leute, die das verhinderten. Überall. Immer.

Werner Krauß habe gesagt, Oskar Werner sei eigentlich gar kein Schauspieler, so daß dieser erblaßte. Gemeint war, er sei ein Hecht im Karpfenteich.

Werner Krauß hatte seinerzeit alle Rollen der Juden in Veit Harlans "Jud Süss" gespielt. Nur wenn er alle Juden spielen könne, würde er mitmachen , hätte er Goebbels gesagt  und gedacht, der würde dann ablehnen. Später sagte er, "weil er sie gut spielen wollte".Man hat es ihm weniger verdacht als seinem Regisseur. Den Juden an sich - in sich. In vielen Rollen. Als vielstimmiger Monolog.
Monologische Ästhetik
Ohne Bühnenbild spielen, rahmenlos, ohne Ausstattung, ohne Maskierungen, Platz geben, den Ort schaffen aus dem inneren Strom der Bewegungen heraus, wie eine Großaufnahme des Wesentlichen, auf einen Punkt gebracht: Seelen- Theater, Theater der Regie, (die sonst arrangierend, umschichtend, sich realisiert, auffällig, sich beweisen müssend Anderen erscheint), und wenn im anderen Geschlecht, sich ergänzend, zurücktretend, je mehr desto besser. Eine Regie, die es auf diese Weise ermöglicht, von innen die Seele auch der Dinge, der Welt und des Ich aller unserer mitspielenden Figuren blühen zu lassen, wie in dem, der sie aus sich entließ: dies Kommenlassen, und wehe, wenn es in falsche, böse Hände, dumme Augen fiele. Es wäre jedem möglich, wenn er das will, denn es ist ein intimer Akt, immer auf der Ebene, die begriffen und ernstgenommen würde. Nirgends sonst wird das Ich des Spielenden schöner dargestellt und ist dem, der es ermöglicht, aufs innigste verbunden, und im Dienste derer, die es erfanden im Text. Und wenn es nicht nach einer Partitur geschieht, dann nach einer noch viel größeren, die uns alle enthält, die uns endlich erlöst, zu spielen noch auf einem ganz anderen Theater, vor ganz anderen Augen, Ohren und Absichten, wie wir sie uns selber geben, wenn wir uns als Menschen und Wesen so verstehen können.

Interessant sind Mozarts Bemerkungen zu Monodramen in der Musik. Im Brief an den Vater schrieb er: "diese art Drama zu schreiben habe ich mir gewunschen", er spricht von "dem größten Vergnügen" dabei, und es ist interessant, wie er die Verwendung des gesprochenen Textes zur Musik beschreibt:"...daß da nicht gesungen sondern deklamirt wird - und die Musik wie ein obligirtes Recitativ ist - bisweilen wird auch unter der Musik gesprochen, welches alsdann die herrlichste wirckung thut..."

Fortsetzung folgt

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