Montag, den 15. Juni
Sehr geehrter Herr Reiter, Oberbürgermeister von München
seit 1956 lebe ich in München. Nach Studium und Fernseh-Arbeiten mit einer Filmproduktion, deren Archiv in München angemeldet ist.
Alle diese so entstandenen und der Welt bekannten Filme wurden von hier gemacht im ARRI und der Bavaria,
und alle Produktionsunterlagen und Archive liegen in Schwabing, Genterstrasse 15a.
Seit Anfang vergangener Woche steigt [zum ersten Mal seit 52 Jahren!] dort Wasser wie bei den Nachbarn und in der Strasse rundum unaufhörlich, dass sie fluchtartig das Haus und die Stadt verlassen müssen,
um das Nötigste, im Keller zuerst, zu retten.
Das betrifft das Archiv aus Filmkopien, Arbeitsmaterialien des Schneideraums, Produktionsunterlagen, Korrespondenzen,
und die Tagebücher des Lebens, die Kostüme und Requisiten, so auch die Arbeitsbibliothek in Sicherheit zu bringen.
Vermutlich liegen die Ursachen im Zuständigkeitsbereich der Münchner Stadtentwässerung MSE. Das Wasserwirtschaftsamt (Herr Scheunert) formuliert weitere Hypothesen.
Die bemühten und gutwilligen Herren Bumiller und Schönwetter vom RGU (Referat für Gesundheit und Umwelt) bedürfen dringend der Unterstützung zur Klärung der Ursachen für das Eindringen des Wassers und zur Veranlassung effektiver Maßnahmen zur Beseitigung dieser Gefahren.
Aktuell geschieht wegen ungeklärter Konfliktsituation rat- oder hilflos nichts, und das Wasser steigt.
Keine Pläne liegen bisher vor über Rohrverläufe und deren technisch aktualisierte Reparaturen per Inliner, Kamerafahrten oder Fräsen und Zuständigkeiten. Technisch ist das lösbar.
Hilferufe nach Berlin sichern nun spontan die Kopien (Deutsche Kinemathek) und die Arbeitsunterlagen (Akademie) als Zwischenlager.
Die Arbeitsbibliothek ist in den Schlafzimmern untergebracht, bis das Wasser dorthin steigt.
Das ist kein gutes "nationales Kulturerbe"(Grütters) handelt mit Abwanderungstendenzen schicke ich einen Durchschlag an Frau Grütters.
Meine Frau (82) ist zur Zeit mit dem Wasserkärcher in München alle zwei Stunden im Einsatz. Wielange noch.
Ich selbst (84) organisiere aus dem Norden, wohin ich zur Zeit alles freundlich hin zu übersiedeln versuche, weil von daher kommend,
aktuell rettende Zwischenlager und Transportstrategien in Berlin.
Ad hoc bitte ich Sie um Hilfe, diese Situation zu bändigen. Alle Nachbarn hängen daran.
Hier aber lagert zur Zeit das Archiv meines Lebens für den Film, und das darf nicht untergehen.
Der Ruf Münchens als Produktionsort des Films sollte nicht auf diese Weise auf dem Spiel stehen.

Dieser Brief musste heute geschickt werden.
Das muss nun alles raus. Wer schreibt mit, wer trägt, wer fährt, wer läd aus ordnete ein, sortiert usw.

Nach Entfernung der unteren Lagen.
Der ehemalige Schneiderraum.
Und so kriecht es stündlich weiter die Wände herauf.

Es betrifft es das Archiv daneben selbst und die Vorräume dazu.

Seit 20 Jahren der Versuch dies zu retten.
Das Herzstück aber lag bis heute in München.
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